„Ich kann mir nicht erklären, wie man als Mensch so etwas tun kann.“

Schlachtung von Delfinen auf den Färöern: Interview mit einer Augenzeugin

Eine Touristin (T), die im Juni ein Grindwal-Massaker hautnah miterlebte, erklärte sich bereit, der GRD-Redaktion einige Fragen über dieses schreckliche Erlebnis zu beantworten. Im Gespräch mit Diplom-Biologin Verena Platt-Till (VPT) sprach sie über die Intention ihres Besuchs auf der Inselgruppe, die schockierenden Momente während des Grinds und wie Insulaner auf ihre Kritik an der Schlachtung reagierten.

"... dort erwartete uns der ganz große Schock"

VPT: Wie kam es dazu, dass Sie den Grind beobachtet haben?

T: Wir waren vom 6. bis 16. Juni auf den Färöer-Inseln. Mit dem Mietauto besuchten wir fast jede Bucht. Die Landschaft der Inseln ist wirklich einzigartig. Die letzten zwei Tage sowie bereits die ersten zwei Tage der Reise befanden wir uns in der Hauptstadt Tórshavn. Da wir noch einen freien Tag zur Verfügung hatten, buchte ich am vorletzten Tag einen ca. zweistündigen Ausflug mit dem Boot von Vestmanna zu den bekannten Vogelfelsen. Wir waren zu früh und besuchten daher den Küstenort Kvivik vor Vestmanna. Und dort erwartete uns der ganz große Schock: rund 100 aufgereihte Tiere, alle tot. Es war gegen Mittag, die Schlachtung selbst hatte sicher morgens begonnen. Zum Glück waren wir nicht früher dort. Das hätte ich kaum überlebt. In Kvivik sahen wir auch eine Lehrerin mit ihren Schülern. Sie führte die Kinder zu den toten Tieren und erklärte diesen anscheinend die ganze Tradition.

VPT: Können Sie genau beschreiben, wie sich diese Bluttat ereignete? Wer und wie viele Menschen waren involviert und wie wurde das Massaker durchgeführt? Können Sie das bitte genau schildern?

T: Die direkte Schlachtung haben wir nicht gesehen. In Kvivik waren nur noch wenige Fischer:innen vor Ort. Ein Junge, ca. 17 Jahre alt, bewässerte die Tiere mit einem Schlauch. Die anderen schauten zu und diskutierten. Alles war noch voller Blut. Ein Fischer hatte ein Dutzend große Stücke der Wale auf den Anhänger seines Wagens geladen und transportierte diese wohl nach Hause. In Vestmanna, wo sie die ganzen Grindwale verluden oder zerstückelten, waren bestimmt noch 100 Leute vor Ort.

VPT: Hätten Sie als Reisegruppe in irgendeiner Form eingreifen können?

T: Nein, auf keinen Fall. Die Färinger lassen sich da gar nichts sagen. Das ist eine jahrhundertelange Tradition, die bereits seit den Wikingern existiert. Und diese wird auf jeden Fall weitergeführt. (Lese-Tipp: Nach der Schlachtung von 1428 Delfinen – “Die Welt darf dieses Massaker nicht vergessen!”

Im Bild: Ein gutes Dutzend von insgesamt 350 Grindwalen, die am 10. Juni auf den Färöer-Inseln abgeschlachtet worden sind.

VPT: Können Sie uns ungefähr sagen, wie viele Meeressäuger der Schlachtung zum Opfer fielen?

T: Es wurden an diesem Tag sicher 350 Tiere getötet. Am 10. Juli folgte der fünfte Grind. Es wurden wieder 83 Pilotwale in einer Bucht der Hauptstadt Tórshavn abgeschlachtet. Das Massaker hat vor den Augen der Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes stattgefunden. Es sind somit jetzt bereits 653 Tiere, welche dieser grausamen Tötung in diesem Jahr zum Opfer fielen.

VPT: Waren auch Kälber unter den Tieren?

T: Kälber sahen wir keine, aber dorthin, wo alles zerstückelt oder aufgeladen wurde, konnte und wollte ich nicht hingehen. Wir haben alles mit dem Feldstecher und mit dem Teleobjektiv der Kamera beobachtet.

VPT: Haben Sie beobachten können, was mit den Delfin-Kadavern passiert ist?

T: Viele Tiere wurden zerstückelt und abtransportiert. Zum Teil wurden sie auch im Ganzen auf Lastwagen verladen. Wir mussten auf der schmalen Straße drei Lastwagen passieren lassen, die „komplette“ Wale geladen hatten. Als wir nach Tórshavn zurückfuhren, folgten wir kilometerweit einer Blutspur. Was mit dem nicht verwertbaren Teil passiert ist, wissen wir nicht. Aber einige große Stücke trieben in der Bucht herum, als wir mit dem Schiff von den Vogelfelsen zurückkamen. Die Möwen saßen darauf und verzehrten Teile davon. Ich denke, dass die nicht verwertbaren Teile weiter draußen im Meer entsorgt wurden.

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Die GRD berichtete auf Facebook über das Grindwal-Massaker im Juni.

Verharmlosende Aussagen der Insulaner

VPT: Wie würden Sie die Emotionen der Menschen, die das Massaker veranstaltet haben, beschreiben?

T: Ich hatte das Gefühl, da seien keine Emotionen im Spiel oder noch eher wie ein Volksfest. Ich kann mir nicht erklären, wie man als Mensch so etwas tun kann. Früher war das überlebenswichtig, aber heute sind die Leute nicht mehr darauf angewiesen. Die Tiere sind quecksilberbelastet, aber das stört die Färinger nicht. In Kvivik haben wir mit einem Einheimischen geredet. Er verharmloste das Quecksilber. Das sei seiner Ansicht nach gar nicht schlimm. Die Wale seien nach dem Schnitt in das Rückenmark sofort tot. Als ich ihm sagte, dass ich schockiert sei, antwortete er, dass wir ja auch Kühe töten würden.

VPT: Was hat der Mann darüber hinaus gesagt?

T: Die Tiere würden jetzt an die Beteiligten verteilt und dann zur Haltbarkeit in Salz eingelegt, bis sie gegessen werden. In die Restaurants kämen die Tiere nicht, da auch auf den Färöer-Inseln strenge Regeln gelten und Schafe sowie andere Tiere in einem Schlachthof geschlachtet werden müssen.

Bilder wie diese haben die Augenzeugin tief schockiert.

VPT: Wie haben Sie sich dabei gefühlt, als die Lebewesen brutal ermordet wurden?

T: Zum Glück haben wir die direkte Ermordung nicht gesehen. Das hätte ich wohl nicht überlebt. Einfach machtlos zuzusehen  wäre noch viel brutaler gewesen. Die Tiere werden mit Schnellbooten in die hüfthohe Bucht getrieben. Die Boote bleiben in der Nähe der Bucht, damit die Wale nicht mehr zurückschwimmen können. In der Bucht werden die Tiere dann von ihren Schlächtern richtiggehend gemetzelt. Die noch lebenden Tiere müssen Todesangst haben.

VPT: Warum kamen die Färöer-Inseln als Urlaubsland für Sie in Frage? War Ihnen im Vorfeld diese grausame Tradition nicht bekannt?

T: Ich interessiere mich sehr für Vögel und wollte unbedingt einmal die Papageitaucher sehen. Wir hatten eine ähnliche Reise bereits vor ein paar Jahren gebucht, doch dann durchkreuzte Corona diese Pläne. Die Tradition war mir bekannt, aber ich hoffte immer, die Färinger würden damit aufhören – zumal sie  ja nicht mehr auf das Fleisch der Meeressäuger angewiesen sind. Wenn man das Massaker aber dann wirklich hautnah miterlebt, dann ist es noch viel schlimmer. Und: Leider ist es nicht so, dass die junge Generation andere Ansichten hat, schließlich waren einige junge Leute dabei.

Diese Konsequenzen zieht die Augenzeugin

VPT: Was haben Sie im Nachgang unternommen?

T: Ich beschwerte mich bei der Vogelfelsen-Tour (puffin.fo), habe aber keine Antwort erhalten. Dann informierte ich mich im Internet über den Grind. Ich habe zudem gespendet und wir unterzeichneten den Protestbrief an die Regierung der Färöer-Inseln.

VPT: Haben Sie Ihren Reiseanbieter mit den Vorkommnissen konfrontiert und wie reagierte er darauf?

T: Ja, ich konfrontierte den Reiseanbieter damit. Kontiki hat sofort reagiert. Das finde ich gut, aber irgendwie sind sie anscheinend auch machtlos. Die Kund:innen würden in Zukunft informiert, auch über ihren Standpunkt. Es würden keine rechtlichen Mittel zur Verhinderung der Jagd bestehen. Als der internationale Druck auf diese Treibjagd zunahm, resultierte dies in einer Gegenreaktion der lokalen Bevölkerung, die sich nicht vorschreiben lassen wollte, wie sie zu leben hat.

Zuchtlachs-Boykott: Die GRD fordert von deutschen Supermarkt-Ketten, das wichtigste Handelsgut der Färöer-Inseln aus dem Sortiment zu nehmen. Unterstützer, die den Delfinschlachtungen auf den Färöer-Inseln nicht länger tatenlos zusehen wollen, können diese Postkarten bei der GRD anfordern, unterschreiben und an die Supermarkt-Ketten versenden.

Innerhalb Deutschlands kannst du mit Hilfe von nur einer SMS einen kleinen, ABER bedeutenden Beitrag (3,21 €) zum Schutz von Delfinen weltweit leisten. Sende Delfine an die Kurzwahlnummer 81190 (funktioniert NICHT mit WhatsApp).

VPT: Wie fühlen Sie sich heute? Sind die blutigen Bilder noch präsent?

T: Die Bilder sind nach wie vor präsent und werden nicht so schnell aus meinem Kopf gehen. Ich werde immer und immer wieder daran erinnert. Die Ferien waren für uns vernichtet, so schön alles angefangen hatte. Wir waren nur noch froh, dass wir am anderen Tag heimreisen konnten.

VPT: Würden Sie nochmal auf die Färöer-Inseln fahren? Was möchten Sie künftig unternehmen, damit ein Ende dieser Tradition herbeigeführt werden kann?

T: Wir werden nie mehr auf die Färöer-Inseln reisen. Ich werde alles Mögliche unternehmen, damit ein Ende herbeigeführt wird. Es wird schwierig werden, denn man ist beinahe machtlos und die Einheimischen lassen sich da nichts vorschreiben.

VPT: Vielen herzlichen Dank, dass Sie so offen über das Erlebte berichten und uns auch Ihre Fotos zur Verfügung stellen.

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